Archiv der Kategorie: Natur

Das Rauschen unter Gullideckeln – Re-Blog 2011

Ich scanne weiter durch die Texte der letzten Jahre, die gedachten Gedanken, gemalten Bilder, Tagebucheinträge. Und bleibe an diesem hier hängen. Wohl weil es ums Laufen geht. Ums Hinterherlaufen. Der Zeit hinterherlaufen. Zeit, die mir jedes Jahr auf Neue zu Weihnachten davonzulaufen scheint. Zeit, die dieses Jahr besonders schnell ist. Da nach dem ganzen Familienweihnachtstrubelgedöns im neuen Jahr mein erstes Kind geboren wird. (UNGLAUBLICH) Und ich schließlich vorher noch all das erledigen muss, was muss. Also alles quasi. 


Das Rauschen unter Gullideckeln – 18. Juli 2011, Dresden

Ich rannte durch den Wald. Bäume, Büsche, Himbeersträucher zogen an mir vorbei und in meinem Kopf zogen die Gedanken und kämpften um ihre Priorität. Was ich nicht alles vor hatte. Was ich nicht alles vor hatte….vorgehabt hatte….noch vor hatte, hätte ich mehr Zeit, hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich die Zeit sinnvoll genutzt…würde ich die Zeit sinnvoll nutzen und nun? Rannte ich durch den Wald obwohl die Zeit drückte und ich noch so viel vorhatte…

…soviel Jobsuche, Kistenpacken, Kuchen backen, Geschichten schreiben – soviel Netze legen und Netze pflegen – soziale und finanzielle Netze jeglicher Art pflegen- soviel gesünder werden und gesünder essen soviel Sport machen und fitter werden soviel… ich rannte doch! Ich rannte durch den Wald und ich rannte und wurde fitter und dachte, dachte nach und war in Gedanken und war mir immer einen Schritt voraus, war immer schneller schneller als mein letzter Gedanke hetzte durch den Wald. Stolperte.

Ein Ast brachte mich zu Fall und ich stand wieder auf und ich lief und stoppte. Ich hielt an an einem Gullideckel mitten im Wald und lauschte. Lauschte dem Rauschen unter dem Deckel dem Rauschen von Wasser das unter mir durchfloß ich war erstaunt und lauschte. Dem Rauschen unter dem Gullideckel dem Rauschen der Prießnitz die neben mir floß dem Flüstern der Gräser den Balzrufen der Vögel. Dem Klingen der Hundemarken an den Halsbändern der Hunde, dem Scharren ihrer Pfoten, den Pfiffen der Herrchen, dem fernen Rauschen der Stauffenberg Allee.

Ich dachte darüber nach dass ich mich wohl in dem Augenblick im Jetzt befand und wie schön das doch war und dann fiel mir wieder ein was ich nicht alles vor hatte und wollte wieder los laufen doch

da zerschnitt ein Sonnenstrahl mir den Weg.


Dieser Sonnenstrahl machte mir auch heute am frühen Morgen einen Schnitt durch die Laken. Und schickte mich auf einen Café zu Ulli in das blaue Café Weltenall. Wo ich bei einer Tasse Tee erstmal zur Ruhe kam bevor der Tag und die Zeit und überhaupt All-Das wieder losrennen konnte. Danke dafür.

Cilento

Schmetterlinge in allen Farben die um mich herum tanzen. Im Sonnenlicht schimmern silbrig die Fäden, die die Weberinnen zwischen den Olivenbäumen gesponnen haben. Aus allen Himmelsrichtungen dringt das Zwitschern der Herbstvögel und legt sich wie ein beruhigender Schleier um diesen Ort.

Ich kann die tanzenden Bewegungen des kleinen Zauberjungen in meinem Bauch spüren. Versuche diesen Moment einzufangen, zu begreifen. Doch am Ende sitze ich einfach da und beobachte, schaue, höre, spüre das Leben in mir und um mich herum. Die flatternden Bewegungen in meinem Bauch, die über die Monate zu einem klopfenden Tock Tock gewachsen sind und die mich immer noch in Staunen versetzen. Das Summen der Falter und Fliegen, das sanfte Nicken der Grashalme, das ferne Dröhnen der Mäharbeiten von lokalen Bauern. Die gruselige Schönheit der Moskitos mit ihren schlangenartig gecheckten Körpern, die mich umkreisen und auf einen unbeobachteten Moment warten. Unten rauscht das Wasser den kleinen Bach entlang, über Felsen, Steine, lässt kniehohe klare Seen entstehen in die wir unsere nackten Füße sinken lassen.

Ich bin glücklich hier zu sein – nach unserer Tour durch bunte, laute, italienische Städte – inmitten der Berge des Cilento-Nationalparks. Im Steinhaus mit Wildgarten und Wasser rundherum, wirklich wie erträumt. Auf dem Gasherd köchelt eine Suppe aus roten Linsen und es gibt nichts zu tun. Außer das was ich wirklich tun möchte. Tage voll Lesen, Schreiben, Yoga, Meditation, Baden im Meer und Wanderungen in den Bergen liegen vor mir. Und ich bin unendlich dankbar dafür.

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Was siehst du

deine Wimpern die das Licht atmen

und in den Winkeln flüsternde Schatten

Mondauge, weine ganz still…weine

dann schau auf

bunte Staubtänzer und blinkendes Laub

und der Himmel webt sein Blau

auf deine

Glasnetzhaut

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Fernweh No.1 – Neuseeland Nordinsel

Seit Tagen schon klicke ich mich durch die  „Travel-Blogs“. Betrachte Bilder von bunten Märkten in Thailand und Kambodscha, von nebelverhangenen Bergkuppen in Neuseeland und Farbenfesten in Indien. Lese tagebuchartige Aufzeichnungen von Paaren, die ein Jahr lang „Worken und Traveln“ in Canada und Australien, höre von Helfern, die in kambodschanischen Dörfern Englisch leben und unterrichten. Ich habe Fernweh! Aua. Da das Verreisen gerade nicht reinpasst, reise ich nun einfach mit meinem Blog. Ha. Und meine Weltreise beginnt in…tatata!… Neuseeland. Das schönste Ende der Welt wo gibt.

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All pictures taken by pillango

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Naturcampen

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Nein. Ich wollte nicht an den „Briesensee“. Zu H., dem selbsternannten Stiefonkel, der seit 15 Jahren jede Familienfeier mit Sprüchen unterhalb der Gürtellinie unterhielt und FKK zu seinen Hobbies zählte. Zu den nackt grillenden, Birnenschnaps trinkenden Ossis, die sich über die Jahre zu einer dauerlustigen und -alkoholisierten Dauercamping-Gemeinschaft eingeschworen hatten. Zu ihren sonnenstichroten, aufgedunsenen Gesichtern und schwitzenden Körpern, die auf Plastikstühlen fläzten, oh nein. Der Briesensee war für mich der Inbegriff einer Welt voller Peinlichkeiten und Pseudo-Witz. Keine 10 Pferde hätten mich dorthin bewegt. Meine Ma auch nicht. Was hatten wir die Nasen gerümpft! Wir, die „Wessis“, die zwar Anschluss suchten, aber „doch nicht so“. Meine Mutter, die Frau, die in den 70ern und 80ern auf Kreuzfahrten in der Südsee unterwegs war und keine Kleidung von der Stange trug. Die 15 Jahre in Dresden ohne Anschluss lebte und uns jegliche Anwandlung von sächsischem Dialekt austrieb. Die mit hochgezogenen Augenbrauen und spitzer Zunge die Sprüche von H. kommentierte. Doch dann lernte meine Mutter I. kennen. I., der seefahrende Superossi mit dem Haar, dass sich nicht bändigen liess. Und mit I. kam der wilde Osten nah, sehr nah.

H. sagte zu seinem Bruder: „Da wird ein Wohnwagen frei“. Meine Ma sagte: „Nein, auf gar keinen Fall. Nicht in diesem Leben.“ Irgendwann sagte sie ja.

———

Wir sitzen im Regionalzug nach Lübben. Ein Déja Vu. Graukappige Rentner in funktionaler Outdoor-Bekleidung, „fetzische Sprüche“, Sachsenlocken. 55 Minuten sind es nur von Berlin zum Briesensee. Ich versuche mich seelisch und moralisch einzustimmen. „Nur ein Abend, eine kurze Nacht.“ Ich klammere mich an die gute Stimme in mir, sie flüstert: „Deine Ma freut sich.“ Am Bahnsteig meine Ma, rotgesichtig, aber glücklich. 30 Minuten dauert die Fahrt zum Camp. Wir biegen in einen Forstweg ein. Waldkiefern, viele davon, rötlich schimmern die Stämme, dahinter schimmert das Blau. Der Wagen hält. Jetzt sind es junge Birken. Dazwischen eine Handvoll Wohnwagen. Sie sehen aus, als wären sie schon immer hier gewesen. Mit dem Wald verbunden. Kein concrete, keine Parzellen, nicht mal eine Rezeption. Helle Segel, die zwischen den Birken eingespannt sind, Wind, der sich leise rauschend in sie hineinlegt. An den Wohnwagen bunte Lichterketten, Windlichter, die leise auf dem Waldboden flackern. An den Bäumen lehnend Fahrräder, unabgeschlossen. Keine 5 Meter entfernt ein schlafender See, von Schilf gesäumt. Einige Holzboote, die am Ufer ruhen. Aus dem Birkenwald kommend goldfarbenes Fell, das sich schüttelnd und wedelnd vor Freude auf mich zubewegt. Unsere „Bella“, mit glitzernden Augen.

Ich sitze unter dem Segel und lausche der Stille des Sees. Im Hintergrund brutzeln leise die Grillsteaks. Meine Ma wirkt glücklich. Irgendwann stößt H. dazu, in Kleidung. Wir trinken Sekt und tauschen einige wohlwollende Sprüche aus. Wir lachen.  In meinem Kopf lösen sich alte Bilder, sickern in den Boden. Oben sind die Sterne über uns. Und ein strahlender Mond.

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