Es schockiert mich, die Kluft zwischen Arm und Reich so hautnah mitzuerleben. In der letzten Woche stieß ich in unserem Innenhof auf eine junge Frau, sie hatte ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen und zog einen Rollkoffer hinter sich her. Sie öffnete die Mülltonnen, eine nach der anderen, spähte, griff hinein. Aus einer Tonne zog sie eine Pfanne, die sie schnell in dem Koffer verstaute. Ich stand wie versteinert an meinem Fahrrad. Als ich realisierte, was da vor meinen Augen passierte, war sie schon verschwunden. Nur das Klackern der Rollen ihres Koffers hallte nach.
Ich fühlte mich schrecklich, tue es immer noch. Etwas läuft gewaltig schief. Während 800 Meter weiter am Helmholtzplatz in den Cafés über die unterschiedlichen Texturen von Milchschaum diskutiert wird, suchen hier vor unserer Tür Menschen in Mülltonnen nach Dingen, die sie in ihrer Armut überleben lassen, Dinge, die uns nicht gut genug waren.
Ich weiß, dass dies tagtäglich überall auf der Welt passiert, ich sehe es in den Nachrichten, lese darüber in Büchern, höre schlimme Geschichten. Doch selbst mit Armut und Leid konfrontiert zu werden, ist etwas anderes. Diese Bilder, Geräusche, Düfte gehen tiefer rein, wickeln sich um deinen Kehlkopf, deine Lungen, das Herz, lassen nicht los.