Wahrscheinlich ist dein Problem Faulheit, sagte meine Kollegin. Aber keine Sorge, das geht allen so. Ach so? Dachte ich. Na dann. Dann ist das ja überhaupt kein Problem, wenn alle so sind, dann ist das ja überhaupt kein Problem!!! Faul. Ich. Faul? Ich glaubte es nicht. Ich glaubte es hackt. Beleidigt sah ich sie an. Ein Grinsen, ein sehr breites hatte sich auf ihr Gesicht gesetzt und ich wollte mich nicht ertappt fühlen, nein, ich hielt an mich, Frechheit. Faul. Ich machte doch! Machte doch ständig, war immer beschäftigt, geschäftig, aß und schrieb und arbeitete an tausend Projekten gleichzeitig und lief und pflegte soziale Kontakte und tat was für die Beziehung. Selbst die Pflanzen zu Hause goss ich und ich stand früher auf als die andern und alles. Sie beugte sich über den Rechner und hackte auf der Tastatur herum und suchte wohl nach einem Beweis für meine Faulheit. Dann drehte sie mir das Display zu, hier, nichts für schwache Nerven, aber falls du doch mal was ändern möchtest, sagte sie und ich starrte auf ein Foto, das eine unsympathische Visage eines Mitt-Vierzigers zeigte und sie meinte noch, sieht doch ganz sympathisch aus oder. Dann drückte sie mir diesen Postit mit einem Namen auf und ich ging nach Hause.
Natürlich bestellte ich das Buch. 2 Tage später hielt ich es in den Händen, ein Buch, das den sympathischen Titel „Eselsweisheit – Der Schlüssel zum Durchblick oder wie Sie ihre Brille loswerden “ trug. Ich trug keine Brille. Doch die Worte meiner Kollegin hatten sich bereits in mir festgebissen und ich wollte das einfach nicht auf mir sitzen lassen, wollte wissen, was es mit meiner Faulheit auf sich hatte. Also las ich. Dieser Autor, Norbekov, (russischer Gelehrter, 3fach Doktor, Professor, Künstler und Was es nicht alles gibt) machte eigentlich nichts anderes, als mich in seinem Buch aufs Übelste zu beschimpfen und mir anhand von Beispielen zu demonstrieren, warum ich die Beleidigungen verdient hatte. In den schwärzesten Farben rieb er mir meine Bequemlichkeit unter die Nase. Dass diese der Hauptgrund ist, warum ich meine Ziele nicht erreiche – und warum viele Menschen chronisch krank werden. Weil wir alle in diesem Kasperletheater von Verhaltensregeln mitspielen, uns anpassen und den Arsch nicht bewegen, die die Dinge zu tun, die wir wirklich tun wollen. Weil wir uns selbst beschneiden und von unserem Schweinehund vom Leben abhalten lassen, weil wir lieber konsumieren und dabei ein Gesicht ziehen als etwas völlig ab-Normes zu tun. Z.B. einfach mal im Bus zu sitzen und zu lachen – über die ganzen Miesepeter die da rumsitzen, sich anöden und auf den Tod warten.
Ich kann Norbekov nicht wirklich böse sein, denn ich weiß, er hat recht. Auch wenn ich sehr beschäftigt bin, heißt das noch lange nicht, dass ich meine Ziele verwirkliche. Fleiß ohne konkretes Ziel führt nirgendwo hin, dann noch mit einer diffusen Angst im Nacken. Na prima. Ich ertappe mich. Wie oft tue ich völlig sinnlose Dinge, die mich keinen Schritt weiterbringen. Der Weg des geringsten Widerstands. Möglichst viel bekommen mit möglichst wenig Einsatz.
Ich werde mich auch noch die restlichen 150 Seiten von Norbekov beschimpfen lassen. Weil ich aus dem Knick kommen will.Und weil ich einfach Bock auf Leben habe.