Schlagwort-Archive: Bücher

Bücher, die helfen wollen.

Es sind 27 Stück. Ich habe sie gezählt, die Ratgeber, die mir helfen sollten, mein Leben besser auf die Reihe zu kriegen. Ich habe 27 (!!!) Bücher gelesen oder angelesen in der Hoffnung dadurch irgendwie ein gesünderer, erfolgreicherer, liebevollerer, glücklicherer Mensch zu werden. Ich habe geklopft, geträumt, mit Gott gesprochen, vegan gekocht, Morgenseiten geschrieben, positiv gedacht, zugehört und „losgelassen“.Und habe trotzdem gerade das Gefühl, keinen wesentlichen Schritt weiter zu sein. Oder vielleicht doch? Ich weiß jetzt, dass jeder dieser 27 Ratgeber-Autoren seinen Weg gegangen ist und jeder von seinem Horizont aus gesprochen die Wahrheit spricht. Jetzt geht es nur noch darum, die eigene Wahrheit zu erkennen. Im Wein liegt meine auf jeden Fall nicht.

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Bücher die sich aufdrängen: Axolotl Roadkill

Der ganze Hype um die junge Autorin, die Schlagzeilen, Beschuldigungen, der Plagiatstreit mit dem Blogger – ich habe mich 2 Jahre geweigert, das Buch in die Hand zu nehmen. Seit dem Job im Buchladen drängt sich Axolotl Roadkill von Helene Hegemann immer wieder in mein Blickfeld, die Farben, die Typo, die Abneigung die dadurch automatisch bei mir entsteht. Immer wieder kommt das Buch von Kunden in den Laden zurück – das Konzept des Ladens ist der An- und Verkauf von aktuellen, gebrauchten Büchern – und nachdem ich bestimmt 100 Mal nein gesagt habe, liegt es jetzt in dem Moment neben mir, aufgeschlagen auf Seite 45. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, worum es darin geht, es ist chaotisch, das Wort „pseudo“ kommt häufig vor, es gibt vorstellbare und unvorstellbare Exzesse und Wortergüsse . Es werden Sätze gesagt, die mir gefallen, wie: „Unter der Dusche prasseln mir in Zeitlupe Tropfen entgegen, die durch den Einfluss der Oberflächenspannung bestrebt sind eine Kugelform zu erlangen.“ Und andere, die mir selber „pseudo“ erscheinen: Es ist drei Uhr nachts und mein kaputtgefeierter Körper sitzt zu Tode in seiner Opferrolle versunken in einem Taxi.

Trotz meiner inneren Anti-Haltung und der vielen Irritationen lese ich weiter. Vielleicht auch gerade deswegen. Und weil ganz oft das, was wir innerlich ablehnen, viel mit uns selbst zu tun hat.

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Alter Finne Tschick.

Nein, ich wollte das Buch von Herrndorf nicht lesen. Weil jeder es las und diskutierte und alle es wahnsinnig toll fanden und es vor einigen Monaten sogar irgendeinen Preis auf der Buchmesse bekommen sollte. Außerdem erinnerte mich Tschick irgendwie an Dorfpunks von Rocko Schamoni. Und diese Geschichte hatte mich damals extrem genervt.

Dann kam mein Geburtstag und das Buch als Geschenk und so lag es eine ganze Weile bei mir auf dem Bücherstapel und schon das Cover das wie das Cover eines Roadmovies anmutete regte mich auf. Keine Ahnung warum ich es doch gelesen habe. Vielleicht weil es ein Hardcover war und die besonders wertvoll und ich es schade fand es ungelesen im Bücherstapel vergammeln zu lassen. Vielleicht auch einfach wegen meinem schlechten Gewissen, ich hatte es ja nicht einmal versucht.

Jetzt habe ich es gelesen und sogar bis zum Ende, ich konnte es kaum weglegen. Ich habe gelacht und sogar Passagen laut darauf vorgelesen weil ich so gelacht habe. Alle Befürchtungen die ich hatte – nerviger Möchtegern-Jugendslang, unlustig, Rocko Schamoni – wurden nicht bestätigt. Im Gegenteil. Die Sprache ist angenehm klar, einfach, schnörkelos. Der Plot spannend bis zum Schluss und wirklich lustig. Ich mochte Tschick. Und ich mag Wolfgang Herrnsdorf und bin froh dass er einen eigenen Blog betreibt: http://www.wolfgang-herrndorf.de/2010/04/zwei/

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Sind wir alle Esel?

Wahrscheinlich ist dein Problem Faulheit, sagte meine Kollegin. Aber keine Sorge, das geht allen so. Ach so? Dachte ich. Na dann. Dann ist das ja überhaupt kein Problem, wenn alle so sind, dann ist das ja überhaupt kein Problem!!! Faul. Ich. Faul? Ich glaubte es nicht. Ich glaubte es hackt. Beleidigt sah ich sie an. Ein Grinsen, ein sehr breites hatte sich auf ihr Gesicht gesetzt und ich wollte mich nicht ertappt fühlen, nein, ich hielt an mich, Frechheit.  Faul. Ich machte doch! Machte doch ständig, war immer beschäftigt, geschäftig, aß und schrieb und arbeitete an tausend Projekten gleichzeitig und lief und pflegte soziale Kontakte und tat was für die Beziehung. Selbst die Pflanzen zu Hause goss ich und ich stand früher auf als die andern und alles. Sie beugte sich über den Rechner und hackte auf der Tastatur herum und suchte wohl nach einem Beweis für meine Faulheit. Dann drehte sie mir das Display zu, hier, nichts für schwache Nerven, aber falls du doch mal was ändern möchtest, sagte sie und ich starrte auf ein Foto, das eine unsympathische Visage eines Mitt-Vierzigers zeigte und sie meinte noch, sieht doch ganz sympathisch aus oder. Dann drückte sie mir diesen Postit mit einem Namen auf und ich ging nach Hause.
Natürlich bestellte ich das Buch. 2 Tage später hielt ich es in den Händen, ein Buch, das den sympathischen Titel „Eselsweisheit – Der Schlüssel zum Durchblick oder wie Sie ihre Brille loswerden “ trug. Ich trug keine Brille. Doch die Worte meiner Kollegin hatten sich bereits in mir festgebissen und ich wollte das einfach nicht auf mir sitzen lassen, wollte wissen, was es mit meiner Faulheit auf sich hatte. Also las ich. Dieser Autor, Norbekov, (russischer Gelehrter, 3fach Doktor, Professor, Künstler und Was es nicht alles gibt) machte eigentlich nichts anderes, als mich in seinem Buch aufs Übelste zu beschimpfen und mir anhand von Beispielen zu demonstrieren, warum ich die Beleidigungen verdient hatte. In den schwärzesten Farben rieb er mir meine Bequemlichkeit unter die Nase. Dass diese der Hauptgrund ist, warum ich meine Ziele nicht erreiche – und warum viele Menschen chronisch krank werden. Weil wir alle in diesem Kasperletheater von Verhaltensregeln mitspielen, uns anpassen und den Arsch nicht bewegen, die die Dinge zu tun, die wir wirklich tun wollen. Weil wir uns selbst beschneiden und von unserem Schweinehund vom Leben abhalten lassen,  weil wir lieber konsumieren und dabei ein Gesicht ziehen als etwas völlig ab-Normes zu tun. Z.B. einfach mal im Bus zu sitzen und zu lachen – über die ganzen Miesepeter die da rumsitzen, sich anöden und auf den Tod warten.

Ich kann Norbekov nicht wirklich böse sein, denn ich weiß, er hat recht. Auch wenn ich sehr beschäftigt bin, heißt das noch lange nicht, dass ich meine Ziele verwirkliche. Fleiß ohne konkretes Ziel führt nirgendwo hin, dann noch mit einer diffusen Angst im Nacken. Na prima. Ich ertappe mich. Wie oft tue ich völlig sinnlose Dinge, die mich keinen Schritt weiterbringen. Der Weg des geringsten Widerstands. Möglichst viel bekommen mit möglichst wenig Einsatz.

Ich werde mich auch noch die restlichen 150 Seiten von Norbekov beschimpfen lassen. Weil ich aus dem Knick kommen will.Und weil ich einfach Bock auf Leben habe.

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